Cheval Intensiv: „Pearl“

In den letzten 2 Wochen war die 14-jährige Traberstute Pearl bei uns zu Gast für unser „Cheval intensiv“ Programm. Das Pferd hat schon einiges an Verletzungen durch, hier nur ein paar Beispiele:
2014 Griffelbeinbruch
2015 Sarkoid-OP
2017 Kehlkopfverletzung mit großer Wucherung
2019 Schlagverletzung mit Muskel- und Sehnenanriss; ISG Verletzung mit großer Flüssigkeitsansammlung
Zudem konnte ihre Besitzerin aus gesundheitlichen Gründen in den letzten Monaten nicht reiten. In den 2 Wochen war unser Ziel, genau zu analysieren, an was wir mit dem Pferd arbeiten wollen und wie der Trainingsplan in Zukunft aussehen soll. (2 Wochen ersetzen natürlich nicht einen 3-monatigen Berittaufenthalt, wir legen hier lediglich einen Grundstein und finden den „roten Faden“ für das weitere Training).
Analyse im Stand:

Auf dem Foto seht ihr die Stute bei ihrer Ankunft. Die zahlreichen Verletzungen in der Vergangenheit sind natürlich nicht spurlos am Bewegungsapparat vorbeigegangen. Auffällig ist die starke Vorhandlastigkeit, der Brustkorb ist nach vorne unten abgesunken. Die Vorderbeine stehen rückständig und vorbiegig. Der Trapezmuskel ist atrophiert und die Halsmuskulatur allg. zu schwach, zudem ist ein ausgeprägter Axthieb vorhanden.
Der Bereich der Kreuzbeinhöcker bzw. des Lumbosacralen Übergangs tritt prominent hervor. Dies wird optisch durch die schwach ausgeprägte Glutealmuskulatur verstärkt.

Analyse in der Bewegung:
Die starke Vorhandlastigkeit ist bei Pearl auch in der Bewegung deutlich zu sehen. Da der Brustkorb nach vorne unten abgesunken ist kommt die Vorhand kaum nach vorne raus, deshalb schaufelt sie stark nach hinten. Dabei nimmt die Hinterhand kaum Last auf und die Lendenbrücke stabilisiert sich über die Verspannung der Lendenmuskulatur. Wenn die Zügelhand nicht korrigierend einwirkt, verkriecht sie sich hinter dem Gebiss à Falscher Knick à noch mehr Vorhandlastigkeit.
– wenn die Zügelhand nicht hoch genug einwirkt, verkriecht sie sich hinter dem Gebiss – taucht noch mehr vorne ab
– Antraben rechte Hand schwierig
– mit Reitergewicht immer wieder einmal leichte Taktunreinheiten (v. a. im Trab)
– Nachtrag 1 Woche später: die Hinterhand entwickelt mehr Schub – tritt weiter vorwärts; Vorhand wird freier durch das Heben des Brustkorbes. IM TRAB: Durch das stärkere Vortreten der Hinterhand wird deutlich, dass die rechte HH etwas kürzer tritt.

10 Trainingseinheiten und 2 Behandlungen später:
Das wichtigste, das Pearl lernen musste war, ihren Brustkorb anzuheben und Last mit der Hinterhand aufzunehmen. Das funktioniert nur, wenn sie sich nicht hinter dem Zügel „verkriecht“(das „Verkriechen“ passiert häufig bei Pferden wie Pearl, die sehr viel „Gas“ haben, hier neigt die Reiterhand besonders dazu zu bremsen).Eine intelligente Reiterhand schafft es, dass das Pferd das Gebiss annimmt und in schönem Kontakt, leicht vor der Senkrechten bleibt – und das alles ohne jegliche Hilfszügel.
Nach der Hälfte der Zeit konnte man schon deutlich sehen, dass die Hinterhand mehr Last aufnimmt und die Vorhand freier wird. Auf der rechten Hand war anfangs an einen schönen Trab gar nicht zu denken, das ganze Pferd machte sich sehr schief und wollte ständig angaloppieren. Erstaunlicherweise hat sich das schon nach 2 Trainingseinheiten stark verbessert.

Was haben wir konkret in den Einheiten trainiert?
Diejenigen, die uns schon kennen wissen, dass wir große Fans der „Arbeit an der Hand“ sind, so wurde Pearl immer mind. 10 Minuten zu, Aufwärmen an der Hand gearbeitet. Erst dann ging es in den Sattel.
Das Thema der Schrittarbeit war „Langsamkeit, Genauigkeit und Aufrichtung“. Die Stute sollte lernen, nicht alle Probleme durch Geschwindigkeit zu lösen, sondern ein Gefühl für ihre Balance bekommen, auf alle 4 Beine achten und diese präzise setzen. Deshalb sind wir viele große gebogene Linien geritten. Dabei lernt sie schon wunderbar mit dem inneren Hinterbein mehr Last aufzunehmen. Um die Schultern freier zu bekommen eignen sich sogenannte „Neckrein-Turns“, wo durch anliegenden und öffnenden Zügel die Vorhand verschoben wird. Außerdem konnten wir im Schritt schon mit Konterschulterherein auf der Geraden und Schulterherein auf der gebogenen Linie beginnen.

Im Trab konnte sie dann ihren Vorwärtsdrang ausleben, wobei sie dabei nicht in Gerenne kommen durfte. Mit schön nach vorn gedehntem Hals und offenem Genick hatte man dann auch „nichts mehr in der Hand“ à sie beginnt sich selbst zu tragen. Diese Haltung hat sie erstaunlich schnell für sich als positiv erkannt, schon bald musste man kaum mehr korrigieren. Dabei befanden wir uns hauptsächlich auf der ganzen Bahn und großen Zirkeln mit vielen Handwechseln. Ziel wäre, dass sie langfristig die Kraft auch für kleinere Zirkel entwickelt.
Auf Galopparbeit haben wir bewusst verzichtet, da sie sich dadurch im Moment nur „aufheizen“ würde, somit wäre die Arbeit von Schritt und Trab wieder dahin.

Insgesamt muss man hervorheben, dass die Stute super mitgearbeitet hat. Sie hat sich immer bemüht unsere Anfragen umzusetzen und die positiven Veränderungen in ihrem Bewegungsablauf gespürt und angenommen. Deshalb haben wir auf 10 Reiteinheiten auch mehr geschafft als wir das gedacht hätten. Natürlich kann man auf 2 Wochen nicht schaffen, dass sie perfekt läuft, aber der Grundstein ist gelegt – der Weg ist das Ziel!

Vielen Dank liebe Pearl, es hat uns wirklich Spaß gemacht mit dir, wir freuen uns, dass du uns auch künftig öfter mal besuchen wirst.
Danke liebe Ines für dein Vertrauen in uns, es ist eine Freude mit euch beiden zu arbeiten!